Progressionsvorbehalt: Welche Steuer bei welchem Einkommen?

Die Steuerberechnung in Deutschland ist kompliziert und für Laien, die versuchen nachzuvollziehen, warum sie genau wie viel Steuern auf ihren Arbeitslohn zahlt, nicht unbedingt die einfachste Übung. Das hängt mit Begriffen wie Steuersatz, Steuerprogression und Progressionsvorbehalt zusammen. Worum geht es dabei?

Steuersatz und Progression

Auf alle deine Einkünfte zahlst du in Deutschland Einkommenssteuer. Bist du als Arbeitnehmer*in tätig, handelt es sich um die Lohnsteuer, die meist direkt monatlich abgeführt wird. Wie hoch der Betrag ist, richtet sich nach dem Steuersatz, der mit dem Gehalt ansteigt. Wer viel verdient, muss sich auch stärker für das Gemeinwohl einbringen. Die letztendlich zu zahlenden Steuern orientieren sich am Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung.

Beispiel 1:

Liegt dein zu versteuerndes Einkommen im Steuerjahr 2023 unter 10.908 Euro, werden keine Steuern fällig. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Grundfreibetrag, der jedem*r Steuerpflichtigen, egal, ob Gut- oder Geringverdiener, zusteht. Ab dem ersten Euro, der diesen Freibetrag überschreitet, wird für den darüber liegenden Betrag ein Eingangssteuertarif von 14 % fällig.

Hast du ein Jahreseinkommen von 100 Euro über dem Grundfreibetrag, bleibt die Summe von 10.908 Euro steuerfrei, auf die restlichen 100 Euro zahlst du einen Steuersatz von 14 %, oder eben 14 Euro Steuern (ohne Kirchensteuer). In diesem Fall ist dein Grenzsteuersatz 14 %, dein Durchschnittssteuersatz aber immer noch 0 %. Steigt dein Einkommen, erhöht sich der Steuersatz. Dabei spricht man von Progression.

Beispiel 2:

Ein zweites Beispiel (ohne Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) verdeutlicht das:

Du verdienst 25.000 Euro im Jahr als Single und ohne Kind. Im Fall des Steuerjahres 2021 gelten die folgenden Werte: Oberhalb des Grundfreibetrags von 9.744 Euro steigt der Steuersatz kontinuierlich. Er startet bei 14 % (Eingangssteuersatz) für die ersten 100 Euro und beträgt für die folgenden 100 Euro dann ca. 14,2 %, für die nächsten 100 Euro 14,4 %, usw. Bei 10.744 Euro liegt der Steuersatz für 100 Euro dann bei ca. 16 %.

Auf die letzten hundert Euro (also bis 25.000 Euro) fällt ein Steuersatz von ca. 28,25 % an – das ist dein Grenzsteuersatz. Aus all den unterschiedlichen Steuersätzen, die zur Berechnung deiner Besteuerung angewendet wurden, ergibt sich ein Durchschnittssteuersatz von ca. 14,5 %, dein persönlicher Steuersatz.

In Steuertabellen kannst du die deinen steuerpflichtigen Einkünften entsprechenden Werte nachsehen.

Was bedeutet Progressionsvorbehalt?

Gemäß § 32b des Einkommenssteuergesetzes sind bestimmte Einnahmen nicht steuerpflichtig, unterliegen aber trotzdem dem Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, dass sie sich auf die Progression auswirken und deinen Steuersatz erhöhen.

Zu den steuerfreien Einkünften zählen Lohnersatzleistungen, wie

Beispiel 3:

Du arbeitest im Jahr 2021 sechs Monate und erhältst insgesamt einen Lohn von 12.000 Euro in diesem Zeitraum. Anschließend bist du arbeitslos und beziehst für die zweite Jahreshälfte 6.000 Euro Arbeitslosengeld I (ALG I) insgesamt. Hättest du gar kein ALG I bezogen, würde dein Durchschnittssteuersatz bei ca. 3 % liegen. Nun werden aber dein steuerpflichtiges und dein steuerfreies Einkommen addiert und belaufen sich in der Summe auf 18.000 Euro. Damit liegt dein Durchschnittssteuersatz nun bei ca. 9,7 %. Dieser Satz wird auf den steuerpflichtigen Anteil deiner Einnahmen angerechnet.

Ohne ALG I würde deine Steuerlast ca. 366 Euro (ohne Kirchensteuer und Soli) betragen, mit ALG I ca. 1.170 Euro. Müsstest du die kompletten Einkünfte regulär versteuern, wären es ca. 1.750 Euro.

Die steuerfreien Leistungen werden also selbst nicht besteuert, dennoch bringt dein gestiegener Steuersatz eine Erhöhung deiner Steuerlast mit sich. Willst du ausrechnen, wie hoch deine Mehrbelastung sein wird, findest du auf der Webseite des Bayerischen Landesamt für Steuern einen Progressionsvorbehalt-Rechner.

Staatliche Sozialleistungen, die in § 32b nicht aufgeführt sind, unterliegen auch nicht dem Progressionsvorbehalt. Dazu zählt beispielsweise das Arbeitslosengeld II (ALG II) – auch bekannt als die Grundsicherung Hartz IV.

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Negativer Progressionsvorbehalt

Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, können auch negativ sein. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich ausländische Negativeinkünfte auf das Einkommen oder der Abzug von Werbungskosten und Betriebskosten auswirken. Auch Einkommensersatzleistungen, die bereits eine Progression bedingten und nachträglich zurückgezahlt werden müssen, können als negativer Progressionsvorbehalt gelten.

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